Sonntag, 15. November 2015

Einsamkeit

Irgendwie beschäftigt sich zur Zeit jeder viel lieber mit sich selbst als mit anderen. Meine beste Freundin Annalena möchte nach dem Abi als Au Pair nach Amerika, deshalb dreht sich jedes Gespräch nur noch darum, wie weit sie schon mit den Vorbereitungen ist und wir treffen uns fast nur noch, wenn sie meine Hilfe bei etwas für ihre Bewerbung braucht. Bei meiner Freundin Jasmina ging es schon ihr ganzes Leben immer nur um sie und wie toll sie und ihr mega geiles Leben sind. Glaubt mir, so toll ist sie echt nicht und inzwischen kann ich es auch echt nicht mehr hören. Bei meiner Freundin Vivien geht es nur ums feiern gehen. Wenn es nicht um eine mega fette Party geht, zu der man mit ihr fahren möchte, sollte man sich am besten gar nicht bei ihr melden. Mit meinen Fake-Freunden aus der Schule rede ich eigentlich nur über Schule. Keiner von ihnen scheint wirklich bereit zu sein, etwas über ihr Privatleben preiszugeben, mich eingeschlossen. Andererseits haben sie vielleicht auch einfach kein Leben außerhalb der Schule und zur Zeit wünschte ich fast, ich wäre genauso ein Langweiler wie sie. Eine der wenigen richtigen Schulfreundinnen, die ich habe, Josi, hat gerade selbst mit einem gebrochenen Herzen zu kämpfen. Und muss die Tatsache verdauen, dass sie auf Frauen anstatt auf Männer steht. Also reden wir über sie und die Entwicklungen mit der Frau, in die sie sich verliebt hat und ich höre zu und tröste sie. Sogar meine amerikanischen Freunde sind nur noch mit sich selbst beschäftigt, besonders Jessie. Sie hat sich gerade von ihrem ersten Freund getrennt und gleich eine Beziehung mit dem nächsten Typen angefangen und jammert jetzt entweder rum, wie sehr sie ihr Ex verletzt hat oder schwärmt davon, wie süß ihr neuer Freund ist und ich tröste sie und freue mich mit ihr, weil ich sie liebe, obwohl mir ihr Exfreund eigentlich eher leid tut, als dass ich ihn hasse und ich mir noch nicht so ganz sicher bin, was ich von ihrem neuen Kerl halten soll.
Bei so viel Mit-Sich-Selbst-Beschäftigt-Sein bleibt irgendwie jemand auf der Strecke - ich. Ich helfe und höre zu und tröste und freue mich mit anderen und zerbreche dabei innerlich jeden Tag ein Stückchen mehr. Keiner fragt, wie es mir geht. Vielleicht ahnen sie, dass sie die Antwort nicht hören wollen. Vielleicht bin ich auch selbst schuld. Vielleicht sagt ja meine Ausstrahlung "Ich will nicht darüber reden". Wer weiß. Ich weiß nur, dass ich mich, obwohl ich ständig Zeit mit meinen Freunden verbringe, in letzter Zeit schrecklich verlassen und allein fühle. Von allen zurückgelassen. In die Ecke gestellt. Vergessen.

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